Enrico Pasini 1935 in Rom geboren, studierte am Conservatorio di S. Cecilia in Rom, wo er in den Fächern Klavier und Orgel seinen Abschluss machte. Er war dreißig Jahre leitender Orgeldozent am Conservatorio Statale di Musica Giovanni Pierluigi da Palestrina in Cagliari. Er wirkte als Solist und Kammermusiker bei diversen Formationen und arbeitete mit dem Sinfonieorchester am Teatro Lirico in Cagliari. Gelegentlich trat er im Duo mit seinen Söhnen Giovanni (Viola) bzw. Daniele (Flöte) auf. Er ist ein viel beachteter Komponist (Lieblingsschüler von Armando Renzi). Sein Interesse reicht von der Klassik bis zum Jazz, wie seine CDs beweisen. Die Stücke von Enrico Pasini sind regelmäßig Teil von Konzertprogrammen der bekanntesten Organisten auf der ganzen Welt.
Enrico Pasini selbst bezeichnet sich als ungewöhnlichen Komponisten: Der Lieblingsschüler von Armando Renzi (1915-1985) hat von seinem Lehrer Mut zu Kreativität und zu einer sehr persönlichen Art des Musikmachens übernommen. Obwohl als Organist an die Kirche gebunden, hat er sich nicht zu einem gelehrten und kirchlichen Kompositionsstil verleiten lassen, um am Ende „Stücke zu schreiben wie es sie schon zuhauf gibt“ (Pasini). Sein Ziel war vielmehr, der Orgel einen neuen Weg zu eröffnen, sie von „Romantik, Liebe und all dem Schönen“ (Pasini) erzählen zu lassen, was den Menschen umgibt.
Der Komponist führt seinen Erfolg mit den Cantabili darauf zurück, dass er als aufmerksamer Betrachter der Welt klar auszudrücken versuche, was zutiefst menschlich ist, kurz: dass die Stücke „von A bis Z alles über den Menschen“ erzählen und damit immer aktuell bleiben.
Dabei sieht er in den Cantabili mehr als in jedem anderen Werk auch sich selbst verkörpert: Hier seien all seine Lebenserfahrung, Gefühle, all das Freud und Leid eingeflossen, das zu jedem Menschen gehört, betont der Komponist, der sich gerne als „Verkäufer von Emotionen“ bezeichnet. Diese Gefühle trage jeder Mensch in sich, seine Aufgabe als Komponist bestünde lediglich darin, diese menschlichen Empfindungen umzusetzen und sie auf Notenlinien zu bannen. Jeder finde deshalb beim Hören etwas, was ihn direkt berührt, was Teil von ihm ist.
Ungeachtet ihrer unterschiedlichen Stimmungen können die Cantabili in kleine, in sich verwandte Blöcke zusammengefasst werden, und alle haben als einzigen gemeinsamen Nenner den Bezug zu Sardinien. Dieser durchdringe jedes Stück, so Pasini, gleich ob es „mit zarten Schattierungen wie bei Sonnenuntergängen“ gezeichnet ist, ob mit „wunderbar intensiven Farben, wie man sie beim Anblick des von der Sonne beschienenen Meeres findet“, oder aber „romantisch und geheimnisvoll unter dem Licht des Mondes“. Jedes Cantabile sei jedenfalls eine Geschichte für sich.
Von allen Stücken hebt sich For you (Nr. 2) ab, das trotz seiner Kürze in der ganzen Welt über kulturelle und ethnische Grenzen hinweg Anerkennung gefunden hat. Dieses Stück kann laut Autor als das Wahrzeichen der Cantabili betrachtet werden, weil darin alle Inhalte ausgedrückt seien, die später in den anderen Stücken zum Tragen kommen. For you bezieht sich auf das winzige Fleckchen Erde namens Baia di Calamosca, mit dem der Komponist sich eng verbunden fühlt und wo die romantische Inspiration sehr stark „geweht“ habe.
Dieses Album wurde von vielen Organisten, auch von Pasini selbst, für den Gottesdienst verwendet, ist aber eigentlich nicht dafür entstanden. Vielmehr wollte der Komponist eine neue Art Musik für dies Kircheninstrument anbieten, das von vielen als Sinnbild für schwere, kopflastige und langweilige Musik abgelehnt wird. Pasini wollte die Orgel mit seinen Werken „frische Luft statt Weihrauchschwaden“ atmen lassen.
Sein Ziel war es dabei auch, der Orgel zu einer Popularität zu verhelfen, die sie bisher nicht hatte, und sie dabei mutig in Konkurrenz mit anderen Instrumenten wie Geige oder Flöte treten zu lassen. „Die Tatsache, dass sich Orgeln fast immer in Kirchen befinden, hat die Lage noch erschwert“, so der Komponist. „Doch sie ist ein Instrument mit tausend Farben und geeignet, ein romantisches Repertoire anzubieten, das nicht nur aus modernen Harmonien im Kirchenstil besteht, sondern auch entschieden Profanes darbieten kann.“ So verzichtet Pasini bewusst auf lateinische und für Laien meist unverständliche Satzbezeichnungen, sondern wählt adjektivische Angaben wie tenero e dolce (zart und weich), soave (sanft) oder affettuoso (zärtlich).
Dennoch gibt es auch in den Cantabili eine gewisse Religiosität, laut Pasini besonders auffallend im Stück Nr. 28, das von der wunderschönen Kathedrale von Obernai (Elsass) mit ihrem umhüllenden Dämmerlicht inspiriert ist, in dem leicht ein mystisches Gebet Gestalt annehme. Auf der anderen Seite steht dann For You mit der Helligkeit der Baia di Calamosca, das die Schönheit des Naturschauplatzes preise, für Pasini eine Schönheit von besonderer romantischer Faszination. Zwischen diesen beiden Polen verlaufen die anderen Cantabili, jedes mit seiner Geschichte, „ein Mosaik aus vielen Empfindungen und Emotionen, die von einem Herzen diktiert werden, das in jeder Situation anders schlägt“. (Enrico Pasini)